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Ukrainische Oppositionsführerin Timoschenko war unzulässig in U-Haft

EGMR weist Beschwerde er Politikerin gegen Haftbedingungen aber ab

Straßburg (jur). Die ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko ist 2011 willkürlich und daher menschenrechtswidrig in Untersuchungshaft genommen worden. Das hat am Dienstag, 30. April 2013, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg entschieden (Az.: 49872/11). Bezüglich der Haftbedingungen wies der EGMR ihre Beschwerde dagegen ab.

Die heute 52-jährige Timoschenko ist Vorsitzende der Partei Batkivshchyna (Allukrainische Vereinigung). 2005 sowie von Dezember 2007 bis März 2010 war sie Premierministerin der Ukraine. Im April 2011 wurde gegen sie ein Strafverfahren wegen angeblichen Amtsmissbrauchs bei der Aushandlung eines Vertrags über Erdgasimporte eingeleitet.

Am 5. August 2011 ordnete das für das Verfahren zuständige Stadtgericht Kiew die Untersuchungshaft an. Timoschenko habe Anordnungen des Gerichts ignoriert, sich verächtlich gegenüber weiteren Anwesenden verhalten und habe sich geweigert, Angaben zu ihrem Wohnsitz zu machen. So hatte die Oppositionsführerin den Vorsitzenden Richter als „Marionette“ bezeichnet.

Timoschenko kam in ein Untersuchungsgefängnis in Kiew. Im Oktober 2011 wurde sie wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft sowie zur Zahlung von 137 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt; anschließend darf sie weitere drei Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden. Nach ihrer Verurteilung wurde die Politikerin im Dezember 2011 aus dem Untersuchungsgefängnis in die Strafkolonie Kachaniviska in Charkow verlegt.

Vor dem EGMR machte Timoschenko geltend, die Untersuchungshaft sei rechtswidrig gewesen. Letztlich habe dies nur ihre Teilhabe am politischen Leben verhindern und ihre Kandidatur bei den Wahlen im Oktober 2012 ausschließen sollen. Zudem habe sie in beiden Haftanstalten für verschiedene Erkrankungen keine angemessene Behandlung erhalten, etwa wegen einer Lebensmittelallergie und plötzlich auftretender innerer Blutungen. Frischluft, Essen und Trinken seien unzureichend gewesen.

Auf Antrag Timoschenkos ordnete der EGMR im März 2012 an, die Ukraine müsse eine angemessene medizinische Versorgung sicherstellen. Daraufhin wurde die Politikerin zwangsweise in eine Klinik in Charkow verlegt. Timoschenko lehnte dies allerdings ab und beharrte auf einer Behandlung in Deutschland. Bei der Verlegung soll es daher zu Gewalt gegen sie gekommen sein.

Der EGMR folgte nun den grundlegenden Angriffen Timoschenkos gegen ihre Untersuchungshaft. Sie habe nicht gegen Auflagen verstoßen; insbesondere habe sie nicht ihre Stadt verlassen und auch keine Straftaten begangen. Ihr angeblich verächtliches Verhalten vor Gericht sei aber kein von der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannter Grund, eine Untersuchungshaft zu verhängen. Zudem hätte die Untersuchungshaft befristet werden müssen. Die gerichtliche Überprüfung der Untersuchungshaft sei unzureichend gewesen.

Weitere Teile der Beschwerde Timoschenkos wies der EGMR allerdings ab. Bei ihren Haftbedingungen habe es zwar teilweise Mängel gegeben, etwa bei der Warmwasserversorgung oder der Heizung. Diese Mängel seien aber nicht so schwerwiegend gewesen, dass sie als menschenrechtswidrige unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzusehen seien. Den gesundheitlichen Problemen Timoschenkos hätten die ukrainischen Behörden „erhebliche Aufmerksamkeit gewidmet“. Das Antifolterkomitee des Europarats habe nach einer Untersuchung im November und Dezember 2011 keine Bedenken hinsichtlich ihrer medizinischen Betreuung geäußert.

In einer knappen Mehrheitsentscheidung gab der EGMR auch dem Vorwurf von Misshandlungen bei der Verlegung in eine Klinik nicht statt. Timoschenko habe eine angemessene gerichtmedizinische Untersuchung verweigert. Daher könne sie die vermeintlichen Misshandlungen und deren unzureichende Aufklärung nicht den Behörden vorwerfen.

Eine finanzielle Entschädigung setzte der EGMR nicht fest, weil Timoschenko dies nicht verlangt hatte. Eine weitere Klage der Oppositionspolitikerin gegen ihr Strafverfahren ist noch vor dem EGMR anhängig (Az.: 65656/12).

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Verbot politischer Fernsehwerbung in Großbritannien zulässig

EGMR sieht keinen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit

Straßburg (jur). Großbritannien muss im Fernsehen oder Radio keine bezahlte politische Werbung zulassen. Das für politische Organisationen entsprechende gesetzliche Verbot verstößt nicht gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Meinungsfreiheit, urteilte am Montag, 22. April 2013, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Az.: 48876/08). Die Straßburger Richter wiesen damit die Beschwerde der britischen Tierschutzorganisation „Animal Defenders International“ (ADI) zurück.

ADI hatte 2005 eine Kampagne mit dem Titel „My Mate’s a Primate“ gestartet, die sich gegen die Haltung von Primaten in Zoos und Zirkussen sowie gegen deren Ausbeutung in der Fernsehwerbung richtete. Im Rahmen der Kampagne wurde auch ein Fernsehwerbespot produziert, der erst ein angekettetes Mädchen in einem Tierkäfig und schließlich einen Schimpansen in derselben Position zeigte.

Doch die zuständige Aufsichtsbehörde, das „Broadcasting Advertising Clearance Center (BACC), wollte die Ausstrahlung des Werbespots nicht erlauben. Die Tierschutzvereinigung sei als politische Organisation zu werten. Nach den gesetzlichen Bestimmungen dürften diese keine bezahlten Werbespots im Fernsehen oder Radio verbreiten.

Sowohl die britischen Gerichte als auch das House of Lords bestätigten das Verbot. Finanzkräftige politische Gruppierungen dürften mit Werbespots nicht die eigentliche öffentliche Debatte verzerren.

Mit einer knappen Mehrheit von neun zu acht Stimmen hat der EGMR das britische Verbot nun bestätigt. Großbritannien habe das Verbot von politischer Werbung im Fernsehen oder Radio erlassen, damit finanziell starke Gruppierungen keinen unzulässigen und zu großen Einfluss ausüben. Das Verbot solle letztlich eine vielfältige öffentliche Debatte erleichtern, allerdings eben ohne die Einflussnahme durch bezahlte politische Werbung.

Großbritannien habe hier auch einen weiten gesetzlichen Gestaltungsspielraum, so die Straßburger Richter. Denn in den europäischen Staaten gebe es keinen Konsens darüber, wie mit politischer Werbung im Rundfunk umzugehen sei.

Das Recht der Tierschutzorganisation auf freie Meinungsäußerung werde damit nicht unzulässig eingeschränkt. So könne ADI seine Kampagne auch in alternativen Medien verbreiten. Der strittige Werbefilm sei beispielsweise über das Internet zu sehen. Außerdem könnten Anzeigen in Zeitungen geschaltet werden. Schließlich könne die öffentliche Debatte auch in Fernsehdiskussionen, mit Hilfe von Demonstrationen oder mit Flugblättern geführt werden.

Die Tierschutzorganisation kritisierte das Urteil. Unternehmen könnten Tiere in Fernsehwerbespots benutzen, um so ihre Produkte besser verkaufen zu können – beispielsweise werbe Pepsi in einem aktuellen Fernsehwerbespot mit einem Schimpansen. Da müsse es auch möglich sein, dass der Verbraucher in einem politischen Werbespot über die negativen Auswirkungen des in der Werbung benutzten Tieres sensibilisiert wird.

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