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Eigentumsrecht contra Wärmedämmung

„Die Steigerung der Energieeffizienz ist eine wichtige Aufgabe zur Sicherung der zukünftigen Energieversorgung. Seit der Einführung des Energieeinsparungsgesetzes im Jahre 1976 folgen in immer kürzeren Abständen neue Verordnungen, die die energetischen Anforderungen an Bauwerke verschärfen“, konstatiert Rechtsanwalt Alexander Jakobs aus der Kanzlei Jakobs Rechtsanwälte in Warburg. „Bei der Sanierung bestehender Gebäude stoßen nun aber immer mehr Menschen an Grenzen, und zwar im buchstäblichen Sinne, wenn nämlich ihre Außenwanddämmung über die Grundstückgrenze hinausragt.“

Gerade im Bestand, in Innenstädten und alten Ortskernen, stehen Häuser in der Regel auf der Grundstücksgrenze. Wird die Hauswand gedämmt, ragt sie zwangsläufig auf das Grundstück des Anrainers. Muss dieser den Überbau dulden? „Bei restriktiver Auslegung der gesetzlichen Vorschriften darf dies nur mit Zustimmung des Nachbareigentümers geschehen“, erläutert Alexander Jakobs. „Dem Wunsch nach Verbesserung der energetischen Qualität steht der individuelle Eigentumsschutz des Nachbarn nach Art. 14 Grundgesetz gegenüber. Dieses Konfliktpotential und das sich hieraus ergebende Spannungsfeld haben zwischenzeitlich verschiedene Länder durch Einführung entsprechender nachbarrechtlicher Regelungen zu lösen versucht.“

Demnach ist der Nachbar unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, eine vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück übergreifende Wärmedämmung zu dulden. „Allerdings nur, wenn er dadurch lediglich geringfügig beeinträchtigt wird und eine vergleichbare alternative Wärmedämmung nicht mit vertretbarem Aufwand zu erzielen ist“, führt der Warburger Rechtsanwalt aus. „Entsprechende nachbarrechtliche Regelungen existieren bereits in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bremen.“

Aber auch in diesen Bundesländern müssen die Bestimmungen exakt beachtet und der Einzelfall geprüft werden, rät der Experte und zitiert ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt vom 26.09.2012 Az: 19 U 110/12 (vorhergehend LG Gießen, 07.03.2012 – Az: 2 O 481/10). In diesem Fall hatte die geplante Wärmedämmung die Anforderungen der Energieeinsparverordnung überstiegen. Die Dämmschicht wäre dicker ausgefallen als vorgeschrieben und hätte weiter über die Grundstücksgrenze hinausgeragt als nötig. Diese Beeinträchtigung musste der Nachbar nicht hinnehmen. Das Oberlandesgericht stützte sich bei seinem Urteil auch auf die Gesetzesbegründung zu § 10a Abs. 1, Nr. 1 im Hessischen Nachbarrechtsgesetz.

„Die energetische Sanierung bleibt also ein heißes Eisen. Hausbesitzer und Architekten müssen sorgfältig planen, sonst scheitern sie am nachbarlichen Einspruch. Das in Artikel 14 des Grundgesetzes geschützte Eigentumsrecht ist als Grundrecht von überragender Bedeutung und wird als solches in der Rechtsprechung auch entsprechend gewürdigt.“

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Wärmedämmung darf nicht auf Nachbars Grundstück ragen

Viele Hausbesitzer möchten Energie sparen und ihre Immobilie zeitgemäß dämmen. Bei freistehenden Häusern ist das kein Problem. Sie lassen sich ringsum mit einer schützenden Dämmschicht einpacken. Was aber, wenn das Haus auf der Grenze steht? Darf der Eigentümer dann trotzdem dämmen, auch wenn die gedämmte Fassade anschließend auf Nachbars Grundstück ragt?

Nein, das darf er nicht, warnt die Kanzlei Jakobs Rechtsanwälte aus Warburg. Am 9. Dezember 2009 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe einen konkreten Fall entschieden: Der Nachbar muss eine auf sein Grundstück ragende Dämmung nicht akzeptieren (OLG Karlsruhe – 6 U 121/09).

Damit haben Millionen Hausbesitzer in Deutschland ein Problem, denn der Hausbau auf der Grenze ist typisch für alte Orts- und Stadtkerne. Vor allem in Dörfern und Kleinstädten grenzten Hofreiten in der Regel mit einer Fassade des Wohnhauses an Nachbars Grundstück. Auch die in den Nachkriegsjahren beliebten Ketten- und Atriumhäuser stehen oft mit einer Seite beim Anrainer. Soll diese Hausfront gedämmt werden, dann ragt nicht nur die Dämmung in Zukunft auf Nachbars Grund, sondern auch die Handwerker, die das System monieren, müssen zwangsläufig über Nachbars Grundstück und von dort aus arbeiten.

Dieses Problem hat der Gesetzgeber geregelt: Nachbarn haben ein so genanntes Hammerschlags- und Leiterrecht. Das heißt, sie dürfen den Grund des Anrainers betreten, um am eigenen Haus notwendige Arbeiten auszuführen – sofern es keine Alternativen gibt. Außerdem müssen die Bauherren schonend mit Nachbars Besitz umgehen und eventuelle Schäden ersetzen, gegebenenfalls sogar Miete bezahlen. Sie müssen zügig arbeiten, sich an Ruhezeiten halten und dürfen den Nachbarn nicht unnötig beeinträchtigen. Die frühzeitige Information des Nachbarn über die geplante Maßnahme liegt im Interesse des Bauherrn, denn, so warnt Rechtsanwältin Helena Jakobs aus der Kanzle Jakobs Rechtsanwälte in Warburg: Schaltet der Nachbar auf stur, darf der Bauherr sich nicht über ihn hinwegsetzen. Er muss dann sein Hammerschlags- und Leiterrecht erst einklagen.

Geregelt haben Bund und Länder auch viele Fragen der Überbauung. Unter Umständen dürfen Hausbesitzer mit Gesimsen, Fensterbänken oder anderen so genannten untergeordneten Bauteilen in den Luftraum des Nachbarn hineinbauen. Natürlich nur, sofern diese Bauteile auch genehmigt sind. Eine dicke Wärmeschicht gehört allerdings nach Ansicht des Karlsruher Oberlandesgerichts nicht zu diesen untergeordneten Bauteilen und muss deshalb vom Nachbarn auch nicht hingenommen werden.

Das Problem der grenzüberschreitenden Wärmedämmung ist noch nicht grundsätzlich geregelt, einige Länder, unter anderem Hessen, arbeiten hier an neuen Regelungen. Sanierungswillige Hausbesitzer sollten inzwischen nach Möglichkeit versuchen, sich mit ihren Nachbarn zu einigen. Ist beim Nachbar ausreichend Platz auf dem Grundstück, lässt sich möglicherweise eine Grenzregelung aushandeln. Entweder bekommt der Nachbar eine so genannte Überbaurente, oder eine Abfindung für die überbaute Fläche. Rechtsanwältin Jakobs rät, die ausgehandelte Vereinbarung unbedingt schriftlich zu formulieren und sogar ins Grundbuch eintragen zu lassen, damit sich auch spätere Grundstückseigentümer noch daran halten müssen.

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